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Im Themenbereich unseres Kursmagazins portraitieren wir Menschen, die unsere Arbeit bereichern.  

Bei Reto Odermatt (47) geht die Liebe zum Holz direkt ins Herz und durch den Magen.

Reto Ordermatt Holzbildhauer

Bei Reto Odermatt (47) geht die Liebe zum Holz direkt ins Herz und durch den Magen. Der Holzbildhauer und gelernte Koch verfeinert seine kulinarischen Köstlichkeiten auch schon mal mit einer Prise Sägemehl.

«Gemäss dem keltischen Baumkalender wäre ich ein Apfelbaum. Und das trifft es, glaube ich, ganz gut.»

 

In der Werkstatt riecht es heimelig nach Holz. Man möchte nicht unhöflich sein; scheu gefragt: Darf man Sie als «Holzkopf» bezeichnen?
Ja, das ist für mich ein Kompliment und kein Schimpfwort. Ich mache übrigens auch Holzköpfe – für die Holzkopfprämierung von Lignum Zentralschweiz. Mein Herz schlägt durch und durch fürs Holz. Die Materie hat etwas sehr Faszinierendes. Holz ist lebendig und ist über Jahrzehnte gewachsen. Jedes Holzstück erzählt eine Geschichte.

Mit welchem Holz arbeiten Sie am liebsten?
Das ist vielfältig. Holz zeigt so viele verschiedene Gesichter – in der Beschaffenheit, in den Farben, in den Strukturen. Die Abwechslung ist das Schöne. Jedes Holz hat seine Eigenart und seinen Charakter.

Sprechen Sie vom Holz oder von Menschen?
(Lacht). Ja, man könnte sogar jedem Menschen eine Holzart zuteilen. Hölzer haben Eigenschaften, die an die Tugenden erinnern. Nehmen wir als Beispiel die Linde, den Friedensbaum. Früher hat man die auf dem Dorfplatz gepflanzt, um das Miteinander zu betonen. Wenn ich Herzen anfertige, nehme ich vielfach Lindenholz. Das Holz steht für Frieden und Liebe – ein schönes Symbol. Oder als weiteres Beispiel die Gerichts-Linde. Bei der sind die Urteile gelinde ausgefallen. Die rustikale Eiche verwendete man dagegen für den Stammtisch. An diesem Tisch wurde debattiert und entschieden.

Welche Holzart wären Sie?
Gemäss dem keltischen Baumkalender wäre ich ein Apfelbaum. Und das trifft es, glaube ich, ganz gut. Im äusseren Bereich hat das Holz einen weichen Rand. Der markante Kern steht für Bodenständigkeit.

Ihr Wohnort Flüeli-Ranft ist ein Kraftort. Spüren Sie das auch in Ihrer Arbeit?
Durch meine Eltern und Grosseltern habe ich seit meiner Kindheit eine starke Verbindung zu Bruder Klaus. Es ist für mich ein grosses Geschenk, dass ich hier in der Nähe vom Ranft arbeiten kann. Wenn ich in der Ranftschlucht dem Bach entlangspaziere, ist eine besondere Urkraft spürbar.

Wie kam es dazu, dass Sie vom Koch zum Holzbildhauer wurden?
Das gestalterische Flair hatte ich schon als Kind. Das Kunsthandwerk sah ich bei meinen Cousins Fredy und Hampi Odermatt sowie meinem Onkel Robi Odermatt. Bei ihm war ich oft in der «Buide» und habe ihm über die Schulter geschaut. Statt einer Bildhauerlehre habe ich dann aber eine Kochausbildung gemacht.

Vom Koch – zuletzt auf Gault-Millau-Niveau – zum Kunsthandwerker. Das hört sich nach einem grossen Schritt an.
Das Gestalterische liegt beiden Tätigkeiten zugrunde. Ich habe gerne gekocht, aber ich wollte nicht nur davon leben, sondern auch dafür leben. Bei einem Sprachaufenthalt in den USA entdeckte ich bei meinem Onkel das Eisskulpturenschnitzen. Daraufhin habe ich die Schule für Holzbildhauerei in Brienz besucht.

Sie bieten für Pro Senectute einen zweitägigen Holzschnitz-Kurs an. Was erwartet die Teilnehmenden?
Wir tauchen gemeinsam ein in die Welt des Holzes. Jede Person arbeitet an ihrem eigenen Werk, das sich intuitiv entwickelt. Ohne Druck und Vorgaben lernen wir, das Material Holz zu spüren und sich mit den Werkzeugen vertraut zu machen. Voraussetzungen gibt es wenige: Freude am Gestalten und eine gewisse körperliche Konstitution, da wir das Holz meistens im Stehen bearbeiten.

Sie kochen sogar mit Holz und bieten Holzkulinarik-Abende zum Geniessen an. Wie schmeckt Holz?
Bei der Holzbearbeitung ist vor allem der Geruch präsent. Der Eigengeschmack ist dagegen etwas weniger ausgeprägt. Jedes Holz hat seinen eigenen subtilen Geschmack. In der Küche probiere ich gerne aus: Einen Rindsbraten beize ich mit getrockneten Zwetschgen und passend dazu einem Stück Zwetschgen-Holz. Sägemehl habe ich auch schon verwendet für eine Panade oder Mehlbeeren, um den Kartoffelstock zu verfeinern.

Was sagen die Kinder dazu, wenn etwas Neues auf den Tisch kommt?
Wenn ich in der Testphase bin, rümpfen sie ab und zu schon die Nase. Sie sind in einem Alter zwischen 10 und 15 Jahren. Da sind Teigwaren und Tomatensauce sehr hoch im Kurs. Wenn dann der Papa mit dem «Körnchenzeug» oder Sachen aus dem Wald kommt, dann sind sie nicht immer so begeistert. Aber wenn das Menü ausgereift ist, dann helfen sie in der Küche und beim Service tatkräftig mit. In der Gastroküche nebenan bereiten wir die Gerichte zu, die Werkstatt wird dann zum Esszimmer.

Ihr Buffet ist die Natur – sowohl für die Holzkulinarik-Abende als auch für die Holzbildhauerei?
Mir ist wichtig, dass die Produkte regional sind und man die Herkunft kennt. Das gilt für die Nahrungsmittel ebenso wie fürs Holz. In meinem Leben verbinden sich das Kochen, die Holzbildhauerei und die Natur zu einem Kreislauf.

Holzschnitzen-Kurs im Atelier von Reto Odermatt. Legen Sie in zwei Tagen die schönsten Seiten eines Holzstückes frei und geben dem Naturmaterial ein neues Erscheinungsbild.

Das interessiert mich.