Im Themenbereich unseres Kursmagazins portraitieren wir Menschen, die unsere Arbeit bereichern.
Rita Beroggi (65) bietet neu einen Kurz zur Förderung des Gleichgewichts an. Im Gespräch verrät sie, warum Weitblick wichtig ist, wann die Kursteilnehmenden "Bahnhof" verstehen und was ein Flamingo mit dem Zähneputzen zu tun hat.
Gleichgewicht ist in jedem Alter wichtig, aber im Alter ganz besonders. Es ermöglicht, sicher unterwegs zu sein und das Sturzrisiko zu eliminieren oder zu reduzieren. Das Alter hat viel mit Mobilität zu tun. Mobilität ist aber nur möglich, wenn man noch einigermassen im Gleichgewicht ist. Je besser das Gleichgewicht, umso grösser ist der Aktionsradius. Wichtig ist, in Bewegung zu bleiben. Bewegung fördert die Lebensqualität.
Mit gezielten Ganzkörperbewegungen, Koordinationsübungen und Stärkung der Muskulatur finden wir einfacher körperliche Balance. Wir stärken aber auch das Vertrauen in den eigenen Körper und wenden bestimmte Techniken an, um Schwindel zu überwinden. Dabei lernen wir Übungen kennen, die einfach in den Alltag integriert werden können. Beim Gleichgewicht konzentrieren wir uns vielfach nur auf den Körper. Es geht aber auch um Selbstvertrauen. Viele ältere Menschen haben keine Angst vor dem Sturz an sich, sondern davor, danach nicht mehr aufstehen zu können. Gleichgewicht hat also auch viel mit dem Kopf zu tun, mit der Kraft des Willens.
Wir machen viel mit Bewegung, manchmal auch schnelle Bewegungen. Ich habe Erfahrung im Bereich der Aktivierung für ältere Menschen und integriere daher auch dynamische Übungen, um das Alltagsleben zu simulieren: Man muss sich durch Menschenmassen schlängeln, ähnlich wie an einem Bahnhof. Ausserdem geben wir Übungen und Strategien mit, um sich in unvorhergesehenen Situationen im Alltag zurechtzufinden. Es geht darum, den Alltag nachzubilden und praktische Fähigkeiten zu vermitteln. So trainieren wir auch den Blick in die Weite. Viele richten den Blick auf den Boden und sehen die Hindernisse zu spät. Eine aufrechte Körperhaltung ist deshalb von grosser Bedeutung. Viele ältere Menschen neigen dazu, nach vorne gebückt zu laufen. Dies kann jedoch durch gezieltes Training korrigiert werden.
Gleichgewicht ist definitiv kein Thema des Alters. Man kann nicht früh genug damit anfangen, sein Gleichgewicht zu trainieren. Von daher sind alle Altersgruppen im Kurs willkommen. Die Übungen lassen sich gut und gezielt auf unterschiedliche Bedürfnisse individuell anpassen, auch wenn jemand körperlich weniger aktiv ist oder ein Handicap hat. Es ist durchaus möglich, dass auch jemand mit einem Rollator teilnehmen kann. Mein Ziel ist es, alltägliche Bewegungen möglichst natürlich zu gestalten, um das Gleichgewicht für alle Bedürfnisse und Situationen zu verbessern.
Ja, das Stehen auf einem Bein während des Zähneputzens – wie ein Flamingo. Das kann man einfach in den Alltag integrieren. Diese Übung stimuliert den Gleichgewichtssinn, schafft Vertrauen und ist auch eine gute Kräftigung des Körpers.
(Lacht) Nein, nein. Aber schon regelmässig. Es gibt auch andere Übungen, die ich in den Alltag integriere. Über eine Linie am Boden zu laufen oder über ein kleines Mäuerchen zu springen – so etwas reizt mich, wenn ich draussen unterwegs bin. Dieses Austesten hat etwas kindlich Verspieltes. Diesen spielerischen Ansatz möchte ich auch in meinem Kurs vermitteln.
Ja, zu einem Teil ist das naturgemäss sicher zutreffend. Das Sehvermögen nimmt ab, das Gehör wird schlechter. Das hat Auswirkungen aufs Reaktionsvermögen. Mit zunehmendem Alter wird auch der Lernaufwand grösser. Doch mit ausreichend Bewegung kann man den Alterungsprozess positiv beeinflussen und die biologische Uhr sogar um ein paar Jahre zurückdrehen.
Auch mein Gleichgewicht ist nicht immer gleich. Das ist von der Tagesform abhängig. Wenn der Kopf abwesend oder blockiert ist, wirkt sich das auch aufs Gleichgewicht aus.
Ich bin gerne draussen in der Natur. Gemütliches oder zügiges Spazieren ist immer noch die beste Bewegung, sowohl für den Geist als auch für den Körper. Draussen zu sein, das ist für mich pure Erholung. Wenn der Kopf voll ist und ich durch einen schönen Wald spaziere, sieht die Welt bald wieder anders aus. Im Sommer gehe ich gerne Stand-up-Paddeln, dazu braucht es auch Gleichgewicht. Das Wasser ist mein Element. Wenn ich in der Natur unterwegs bin, überlege ich mir selten, wie ich ins Gleichgewicht finde. Das kommt wie von selbst.